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Die Wirksamkeit von hybriden Behandlungsansätzen

Um lange Wartezeiten für Weiterbehandlungsangebote nach einem (teil-)stationären Klinikaufenthalt zu überbrücken und Patient:innen systematisch an für sie geeignete Anschlussmaßnahmen in der Regelversorgung anzubinden, bietet mentalis eine digitale Nachsorge für zahlreiche F-Diagnosen an. Anders als bei den meisten verfügbaren digitalen Interventionen für die psychische Gesundheit werden die Programme der mentalis stets durch wöchentliche, psychologische Tele-Gespräche begleitet. Die Vorteile dieses hybriden Ansatzes sowie der aktuelle Stand der Forschung zu diesem Thema soll in diesem Blog-Artikel diskutiert werden.

Regulatorischer Hintergrund

Das digitale Angebot für psychische Erkrankungen ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Die stetig steigende Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen (mehr zum Thema Entstigmatisierung) führt dazu, dass sich immer mehr Menschen in Behandlung begeben. Da sich Lebens- und Arbeitsmodelle zur größtmöglichen Flexibilität wandeln, fordern sie auch einen Wandel zu mehr Flexibilität in der Gesundheitsversorgung. Mit der fortschreitenden Digitalisierung innerhalb der letzten Jahre kamen auch die ersten internetbasierten Interventionen auf den Markt und zogen eine Flut an Gesundheits-Apps nach sich. Durch das Digitale-Versorgung-Gesetz können seit 2019 „Apps auf Rezept“ (Digitale Gesundheitsanwendungen; kurz: DiGA) verschrieben werden. DiGAs stehen allen gesetzlich Krankenversicherten zur Verfügung und können von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen verschrieben werden. Die Kosten werden von den Krankenkassen als Teil der Regelversorgung getragen. Die Gesetzgebung hat allerdings vorgesehen, dass als DiGAs vornehmlich rein digitale Medizinprodukte verschrieben werden können, die auf flankierende menschliche Kontakte verzichten müssen. Doch gerade dieser rein digitale Ansatz ist im Bereich der psychischen Erkrankungen kritisch zu bewerten.

Vorteile und Risiken digitaler Interventionen

Digitale Gesundheitsangebote bestechen mit ihrer zeit- und ortsungebundenen Verfügbarkeit und können somit nur niederschwellig in der Versorgung von Patient:innen eingesetzt werden. Neben der flexiblen Nutzbarkeit in Zeit und Ort, können die Produkte eigenständig und in einem selbstbestimmten Tempo genutzt werden, was sowohl die Selbstwirksamkeit als auch die Effizienz erhöht (Barak et al., 2008; Wilhelmsen et al., 2013). Außerdem können digitale Interventionen einen Beitrag zur Entstigmatisierung leisten, indem mehr Menschen aufgrund des hohen Maßes an Anonymität und Privatsphäre das Behandlungsangebot in Anspruch nehmen. Diese Punkte können speziell für Patient:innen mit großer Angst vor Stigmatisierung interessant sein (Young, 2005). Bezüglich der Wirksamkeit digitaler Interventionen kommen den darin enthaltenen therapeutischen Inhalten sowie der Art und Weise der Durchführung der Intervention eine besondere Rolle zu. Die bestehenden Angebote können von einfachen Selbsthilfe-Protokollen bis hin zu indikationsspezifischen, gamifizierten Apps in Kombination mit ausführlicher therapeutischer Begleitung reichen. Den Löwenanteil machen allerdings solche Interventionen aus, die ohne menschliche Begleitung angeboten werden.

Vor dem Hintergrund des steigenden Kostendrucks im Gesundheitswesen sowie der zunehmenden Anzahl an Geschäftsmodellen im Digital Health Sektor, die eine maximale Skalierbarkeit ihrer Lösung für den wirtschaftlichen Erfolg forcieren, steigt die Zahl rein digitaler Interventionen weiter an. Doch neben den genannten Vorteilen digitaler Lösungen für psychische Erkrankungen muss bedacht werden, dass rein digital-basierte Interventionen, wie es DiGAs vornehmlich sind, mit der großen Herausforderung des Mangels an persönlichem Kontakt auskommen müssen. Wissenschaftliche Studien zeigen deutlich auf, dass gerade die Behandlung psychischer Erkrankungen stark durch den positiven Einfluss der menschlichen Beziehung profitiert. Der menschliche Kontakt und die Beziehung ist ein allgemein anerkannter Wirkfaktor der Psychotherapie, dessen besondere Relevanz in Zeiten von Krisen auf Patient:innen-Seite, wie zum Beispiel in Fällen akuter Suizidalität, selbstverletzenden Verhaltens oder Dissoziation, deutlich wird. Fehlt hier die Möglichkeit zum direkten Austausch, sehen sich Patient:innen bei der Nutzung einer rein digitalen Intervention einem großen Risiko ausgesetzt (Wollstadt, 2011).

Hybride Lösungen bei psychischen Erkrankungen

In einem Review von Baumeister und Kollegen (2014) wurde der Einfluss von menschlicher Begleitung auf die Effizienz digitaler Interventionen erforscht. In diesem Review wurden n=5328 Studien berücksichtigt, die hybride Interventionen mit rein digitalen Lösungen vergleichen. Insgesamt wiesen die hybriden Angebote eine signifikant höhere Wirksamkeit auf als die rein digitalen Interventionen. Betrachtet man das Störungsbild der Depression, besteht eine Vielzahl an Forschungsarbeiten zu ebendiesem Vergleich. Schröder und Kollegen (2016) kamen in ihrem Review zu dem Ergebnis, dass rein digitale Angebote lediglich kleine Effekte (d = 0.25 – 0.36) erzielten, wohingegen hybride Lösungen mittlere bis große Effekte (d = 0.58 – 0.78) auf die Reduktion depressiver Symptomatik erzielten. Bezüglich der Adhärenz zu digitalen Interventionen berichteten Richards et al. (2013) und Andersson et al. (2012) zudem von höheren drop-out Raten bei rein digitalen Angeboten. Drop-out Raten stellen ein kritisches Element dar, da sich bei Nichtnutzung einer Intervention kein therapeutischer Effekt einstellen kann und sich zudem ein erhöhtes Risiko für den Verlust an Vertrauen in das therapeutische System ergibt. Die Ergebnisse der aufgeführten Studien sprechen für die Nutzung hybrider Interventionen in der Behandlung psychischer Erkrankungen.

Fazit: Hybride Lösungen zeigen im Vergleich zu rein digitalen Angeboten eine bessere Nutzung durch Patient:innen sowie eine höhere Wirksamkeit auf.

 

Die Umsetzung von mentalis

Aufgrund der überzeugenden Studienlage für hybride Interventionen integriert der Ansatz von mentalis regelmäßige psychologische Tele-Gespräche mit zertifizierten Psycholog:innen. Die Anbindung der Patient:innen in die digitale Nachsorge von mentalis erfolgt noch während des Klinikaufenthalts. Durch die Einschreibung der Patient:innen in die digitalen Nachsorgeprogramme in der Klinik wird sichergestellt, dass die Patient:innen nach der Entlassung nahtlos weiterversorgt werden. mentalis nimmt hier bewusst die Rolle des „Brückenbauers“ zwischen den Kliniken und der langfristigen Weiterversorgung ein und erleichtert somit für Patient:innen den Übergang zwischen den Sektoren um dadurch das Risiko einer möglichen Rehospitalisierung zu reduzieren. Dazu nutzen Patient:innen Therapie-Apps und haben regelmäßig telefonischen Austausch mit Tele-Psycholog:innen, welche auf die Besonderheiten der Nachsorgesituation sowie die einzelnen Störungsbilder geschult sind. Die Rückmeldung unserer Patient:innen zeigt eindeutig: Der persönliche Kontakt im Rahmen der psychologischen Tele-Gespräche stellt einen ausschlaggebenden Aspekt für den Erfolg der Programme von mentalis dar.

 

Dieser Blogartikel wurde verfasst von unserem Redaktionsteam
Renate Übe & Sophia Möhrle

 

Literatur

Andersson, G., Hesser, H., Veilord, A., Svedling, L., Andersson, F., Sleman, O., … & Carlbring, P. (2013). Randomised controlled non-inferiority trial with 3-year follow-up of internet-delivered versus face-to-face group cognitive behavioural therapy for depression. Journal of affective disorders, 151(3), 986-994.

Baumeister, H., Reichler, L., Munzinger, M., & Lin, J. (2014). The impact of guidance on Internet-based mental health interventions—A systematic review. Internet interventions, 1(4), 205-215.

Barak, A., Hen, L., Boniel-Nissim, M., & Shapira, N. A. (2008). A comprehensive review and a meta-analysis of the effectiveness of internet-based psychotherapeutic interventions. Journal of Technology in Human services, 26(2-4), 109-160.

Richards, D., & Richardson, T. (2012). Computer-based psychological treatments for depression: a systematic review and meta-analysis. Clinical psychology review, 32(4), 329-342.

Schröder, J., Berger, T., Westermann, S., Klein, J. P., & Moritz, S. (2016). Internet interventions for depression: new developments. Dialogues in clinical neuroscience, 18(2), 203.

Wilhelmsen, M., Lillevoll, K., Risør, M. B., Høifødt, R., Johansen, M. L., Eisemann, M., & Kolstrup, N. (2013). Motivation to persist with internet-based cognitive behavioural treatment using blended care: a qualitative study. BMC psychiatry, 13(1), 1-9.

Wollstadt, J. (2011). Internet-und computergestützte Angebote in der Psychotherapie. Von Heilkunde weit entfernt. Dtsch Arztebl, 1, 22-23.

Young, K. S. (2005). An empirical examination of client attitudes towards online counseling. CyberPsychology & Behavior, 8(2), 172-177.